Weniger ist manchmal mehr

Fechenheimer Anzeiger, 07. Januar 2016

Möbel-Restaurator Christoph Dettmering gewährt Einblicke in seinen Beruf

Fechenheim (sh). Fast schon ehrfürchtig streichen die Teilnehmer einer ganz besonderen Veranstaltung der Volkshochschule Frankfurt über die Tür eines so genannten Frankfurter Schranks. Der Restaurator und Tischlermeister Christoph Dettmering hat das Möbelstück in seiner Werkstatt in der Salzschlirfer Straße in Fechenheim-Nord restauriert. Im Rahmen der Veranstaltung berichtet er über seine Tätigkeit und ermöglicht Einblicke in die Werkstatt.

Als Dettmering im Jahr 2000 mit seiner Werkstatt aus dem Nordend in das Fechenheimer Gewerbegebiet zog, brauchte es eine gewisse Anlaufzeit. „Das Areal hat sich sehr gemacht. Der Gewerbeverein hat sich bemüht, das Gebiet mit Leben zu füllen und die Stadt Frankfurt hat den Zuzug von Kreativen gefördert, sodass ich hier mittlerweile sehr glücklich bin“, berichtet Dettmering. Die Räumlichkeit fand er aufgrund des großzügigen Platzangebots sehr verlockend. Seine ursprüngliche Idee sei gewesen, ein Restaurierungszentrum in Frankfurt zu etablieren, doch nach den Anschlägen vom 11. September 2001 hätte es eine Verschiebung der Prioritäten in der Bevölkerung gegeben. „Ich arbeite in einem Luxussegment. Alte Möbel sind nicht lebensnotwendig, Restaurierungen wurden hinten angestellt. Deshalb bin ich von der Idee eines Restaurierungszentrums wieder abgekommen“, sagt er.
Zu den Leistungen, die Dettmering anbietet, gehören unter anderem das Reinigen von Oberflächen, Handpolituren zum Beispiel mit Schellack, Polsterarbeiten und Stuhlgeflechte, Beratungen und das Erstellen von Gutachten. Meistens erhält er Aufträge von Privatpersonen, die ihre Möbel – sei es aus dem Jugendstil, Barock, Biedermeier oder der Neuzeit – restauriert und konserviert haben möchten.
Außerdem liegt es dem Restaurator am Herzen, Öffentlichkeitsarbeit über seinen außergewöhnlichen Beruf zu betreiben. „Ich möc hte das Handwerk für die Menschen erlebbar machen. Sie können in meinem Atelier die Möbel anfassen, die Oberflächen fühlen und die Materialien riechen. Die Möbel sind viel zu schön, als sie im Geheimen versteckt zu halten“, sagt er. „Sie sind ehrlich und gut gebaut. Das übt einen großen Reiz aus.“
Als sich Dettmering seinerzeit dafür entschieden hatte, Restaurator zu werden, gab es zunächst keinerlei Informationen über dieses Berufsbild. „Es war ein geheimnisvoller Beruf, der damals nicht anerkannt war, inzwischen ist es ein Studiengang“, erklärt er. Bevor Dettmering eine Schreinerlehre und die Ausbildung zum Restaurator absolvierte, studierte er Theologie. Doch er brach das Studium ab. „Ich wollte etwas anderes machen als mein Vater und mein Großvater“, sagt er. Er entschied sich für das Material Holz. Zu Beginn seiner beruflichen Laufbahn habe er viel in der Baudenkmalpflege gearbeitet und beispielsweise Parkettböden in Schlössern restauriert. „Die Arbeit erforderte unter anderem Reisetätigkeiten. Das war nicht mit der Familie vereinbar“, führt Dettmering aus. Deshalb habe er sich auf Möbel spezialisiert. Im Rahmen seiner Ausbildung habe er sich zwar Perfektionismus antrainiert, doch beim Restaurieren von alten Möbeln sei es wichtig, sich in Sachen Perfektion zurückzuhalten. „Da muss man umdenken, denn das Möbel darf nach der Restaurierung nicht neu aussehen“, erläutert Dettmering. Abgeschliffen werde nur in Notfällen, die Originalität des Möbels steht an erster Stelle. „Manchmal ist weniger mehr“, lautet sein Fazit.
Und auch wenn weniger mehr ist, kostet eine Restaurierung viel Zeit. Um zum Beispiel eine gute Schellackpolitur hinzubekommen, muss der Lack mit Bims poliert werden. „Das bedeutet eine langwierige Oberflächenbehandlung, bei der das Material mit einem Ballen eingearbeitet wird.“, führt er aus. Der Vorgang erfordere viel Übung und Fingerspitzengefühl. Die Oberfläche muss am Ende spiegelglatt sein und darf keine Spuren oder Struktur enthalten. In dreieinhalb Jahren hat Dettmering die Technik erlernt. „Man entwickelt einen unglaublichen Ehrgeiz“, sagt er. Stühle seien extrem arbeitsintensiv, erläutert er. Es gibt viele Leimverbindungen durch Lehne, Sitz, Streben und Beine, verdeutlicht Dettmering anhand eines Biedermeier- Stuhls. Zum Leimen verwendet er in diesem Fall Fischleim, der kalt verarbeitet wird und lange trocknen muss. Dann kommt noch die Polsterung hinzu. „Ein guter Stuhl kostet mindestens 500 Euro“, klärt er auf.
Möbel waren damals teuer und wurden auch entsprechend behütet. „Heute leben wir anders“, sagt er mit Blick auf seine eigenen Kinder, die eine „Fläz-Couch“ einem Biedermeier-Sofa vorzögen. Für die Zukunft ist er aber voller Hoffnung: „Bei der nächsten oder übernächsten Generation wird wieder ein Umdenken stattfinden. Wenn der Mensch gesättigt ist, wird er sich wieder auf das Ursprüngliche besinnen.“ Darüber hinaus gibt Dettmering den Rat, Antiquitäten und Kunst nicht als Wertanlage zu betrachten. „Sie müssen einem gefallen, Spaß machen und guttun.“

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160107_HU_BEFA_009

12. 01. 2016 |